PRESSEMITTEILUNG Forstminister Hauk schießt gegen Wild und Wald

Anlässlich des Jubiläums zum 150-jährigen Bestehen jagdlicher Organisation in Baden-Württemberg überreichte Forstminister Hauk der Jägerschaft ein vergiftetes Geschenk – eine mögliche Jagdzeitenveränderung beim Rehwild, die weder Wild noch Wald hilft. Der Landesjagdverband Baden-Württemberg (LJV) lehnt das ab.

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(Stuttgart, 22. Mai 2025) Minister Peter Hauk äußerte sich in seiner Festansprache zu geplanten Jagdzeitenänderungen beim Rehwild, die nach Rechnung des Ministeriums für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz Baden-Württemberg eine Netto-Verringerung der Jagdzeit bringen sollen. So plant Hauk, die Jagdzeit bereits am 1. April, also einen Monat früher als derzeit, beginnen zu lassen. Im Sommer soll dann vom 16. Juni bis 15. Juli eine einmonatige Jagdpause verordnet werden, die es bislang nicht gibt. Das Ende der Jagdzeit, derzeit der 31. Januar, soll um 16 Tage auf den 15. Januar vorgezogen werden. Im Rahmen von Gesellschaftsjagden soll die Jagd auf Rehwild – nach vorheriger Anzeige bei der unteren Jagdbehörde – weiterhin bis Ende Januar möglich sein. So stehen nach Rechnung des Ministeriums einem Monat Ausdehnung im April, sechs Wochen Verkürzung in Juni, Juli und Januar der Jagdzeit gegenüber. Mit diesen Vorschlägen erntet der Minister harsche Kritik bei den Jägerinnen und Jägern. 

Nach dem Ende der nahrungsarmen Wintermonate konzentriert sich das Rehwild im Frühjahr verstärkt auf Flächen mit nährstoffreichem Nahrungsangebot wie Wiesen, Felder und Waldränder. Eine Bejagung auf diesen Flächen bereits ab April ist aus ökologischer Perspektive sowohl für Wild als auch für Wald kontraproduktiv: Jagdliche Störungen auf solchen Nahrungsflächen außerhalb des Waldes führen zu einer Aktivitätsverlagerung des Rehwilds in die Wälder. Diese Verschiebung des Raum-Zeit-Verhaltens kann besonders in struktur- und nahrungsarmen Waldgebieten zu einem erhöhten (Keimlings-)Verbiss führen. Eine Vorverlegung des Bejagungszeitpunkts erhöht somit das Risiko von Wildschäden im Wald, anstatt dieses zu minimieren. 

Ungeklärt sind auch die rechtlichen Grundlagen des Vorhabens des Ministers. Ein Beginn der Jagdzeit zum 1. April würde eine Aufhebung der aktuell gültigen allgemeinen Schonzeit vom 16. Februar bis 15. April bedeuten. Der Minister möchte im Ergebnis ein Kernelement des JWMG, die zum Wohl aller Wildtiere und des Waldes geschaffene allgemeine Schonzeit beseitigen.

„Bei aller Notwendigkeit des durch den Klimawandel erforderlichen Waldumbaus dürfen wir unsere naturethischen Grundsätze im Umgang mit unseren heimischen Tierarten nicht über Bord werfen“, sagt René Greiner, Hauptgeschäftsführer des Landesjagdverbandes Baden-Württemberg. „Ja, wir stehen vor großen Herausforderungen beim Waldumbau hin zu klimastabilen Wäldern. Eine einen Monat früher beginnende Jagdzeit ist hierfür aber bei weitem nicht der richtige Ansatz.“

Als wildbiologisch grundsätzlich richtig, aber durch den vorgesehenen, starren Zeitraum fachlich nicht angepasst, beurteilt der LJV die geplante Aussetzung der Jagdzeit vom 16. Juni bis 15. Juli. Die Bejagung richtig zu dosieren und dem Wild Phasen ohne Jagddruck zu gewähren, ist gelebter jagdlicher Alltag. Dies muss aber vor Ort, den natürlichen Verhältnissen angepasst, entschieden werden können. Einen bisher möglichen und damit den sehr unterschiedlichen Revierverhältnissen angemessenen Spielraum auf starre Fristen einzugrenzen, wird den naturräumlichen Unterschieden im Land nicht gerecht. In der Rheinebene oder im Tauberland muss eine Bejagungsruhe zeitlich anders gehandhabt werden als im Schwarzwald oder auf der Schwäbischen Alb. Dies muss allerdings auf Revierebene und ohne kontraproduktive Überregulierung erfolgen.

Eine aus wildtierökologischer Sicht sinnvolle, sogar notwendige Verkürzung der Jagdzeit auf den 15. Januar wird schon seit längerem vom LJV gefordert. Besonders in strengen Wintern lebt das Rehwild aufgrund des Mangels an qualitativ hochwertiger Nahrung von wenigen Fettreserven. Ab Mitte Dezember ist der Organismus des Rehs auf Energieeinsparung ausgerichtet, die Aktivität des Rehwilds reduziert sich etwa um die Hälfte. Störungen in dieser sensiblen Winterzeit sind daher unbedingt zu vermeiden. Eine Verringerung des Jagddrucks durch eine frühere Jagdruhezeit ist daher ausdrücklich zu begrüßen.

Die Möglichkeit, nach Anzeige bei der unteren Jagdbehörde Drückjagden auch nach dem 15. Januar durchzuführen, offenbart jedoch eine wildfeindliche Doppelstrategie, um trotz Verkürzung der Jagdzeit auf dem Papier weiterhin in der Praxis Wildtiere in der Winterruhe zu bejagen. Dies widerspricht jagdethischen Grundsätzen. Besonders Bewegungsjagden – auch auf Schwarzwild – sollten in dieser störungsempfindlichen Zeit unterbleiben. Die vom Minister ins Auge gefasste Regelung bedient allein forstliche Interessen nach dem Prinzip „Wald vor Wild“, um die Abschusszahlen zu erhöhen – ohne Rücksicht auf wildökologische Zusammenhänge. Langfristig schadet sich der Forst damit selbst: Massive Störungen in der nahrungsärmsten und energiebedürftigsten Zeit führen zu erhöhtem Verbiss und gefährden damit die angestrebten waldbaulichen Ziele.

Der Wald in Baden-Württemberg steht im Bundesvergleich solide da und das ist nicht zuletzt auch ein Verdienst der Jägerschaft. „Die Abschusszahlen in baden-württembergischen Wäldern sind im bundesweiten Schnitt bereits die höchsten, berechnet auf die Fläche. Ein ganzheitlicher Blick auf die Situation im Revier, mehr Ruhe und alternatives Äsungsangebot sind die richtigen Stellschrauben“, sagt Samuel Golter vom LJV, zuständig für Jagd und Waldumbau. So wurden im Jagdjahr 2023/24 in Baden-Württemberg 188.192 Rehe erlegt, was im Schnitt 5,4 Rehen pro 100 Hektar Jagdfläche entspricht (bundesweit 4,1 Rehe pro 100 Hektar). 

Der aktuelle Vorschlag von Minister Hauk konterkariert überdies den baden-württembergischen Weg, auf dem sich Forst, Jagd und Forschung bislang gemeinsam befanden. Mit der AG Waldumbau und Jagd, den umfangreichen Fortbildungen und Materialien, dem Wildtierforum2 und dem Projekt Wild-Wald Bewusstsein sind alle beteiligten Akteure bislang konstruktiv vorangegangen. Das nach Auffassung des LJV aus wald- und wildtierökologischer Sicht größtenteils unsinnige Vorhaben des Ministers Hauk einer Änderung der Jagdzeiten stellt einen Affront gegenüber den bisherigen Bemühungen und der erfolgreichen Zusammenarbeit der letzten Jahre dar. „Eine Anpassung der Jagdausübung an die klimawandelbedingten Veränderungen in den Wäldern Baden-Württembergs und die Notwendigkeiten des Waldumbaus kann auch wild- und tierschutzverträglicher erzielt werden“, so René Greiner.  Nämlich durch eine fundierte wildtierökologische Vorgehensweise, die eine gesunde Altersstruktur und ein ausgewogenes Geschlechterverhältnis berücksichtigt. Gemeinsam für Wild und Wald.

Der Landesjagdverband Baden-Württemberg fordert den Minister auf, sich bei Jagdzeitenänderungen an den wissensbasierten, baden-württembergischen Weg – unter Einbeziehung der Jägerschaft – zu halten und wildbiologische Erkenntnisse zu berücksichtigen.